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Traumaarbeit mit Tsunami-Opfern

Ursula Fürstenwald

Traumaarbeit mit Tsunami-Opfern

Ein Erfahrungsbericht

Direkt in Katastrophengebieten zu arbeiten erfordert einen besonderen Zugang zur Traumaarbeit. Wenn der Einsatz in der Dritten Welt stattfindet, erfordert dies eine noch spezifischere Umstellung. Dr. Raja Selvam und sein Team haben mit Tsunami-Opfern in Südindien nach einem kurzzeittherapeutischen Interventionsmodell gearbeitet – un- ter völlig anderen Bedingungen, als Traumatherapeuten in westlichen Ländern zu ar- beiten gewohnt sind.

Der Projektrahmen

Nach dem Tsunami im Dezember 2004 wurden in den Jahren 2005, 2006 und 2007 drei Projekte in Tamil Nadu, dem südöstlichen Bundesstaat Indiens, durchgeführt mit dem Ziel, Tsunami-Opfer zu behandeln. Ich selbst nahm am 3. Projekt im Jahre 2007 teil. Bei der Beschreibung des therapeutischen Ansatzes werde ich fokussiert über das Konzept und die Basisarbeit im ersten Projekt berichten, um die besonderen Möglichkeiten ei- nes Hilfe-Einsatzes aufzeigen zu können, der in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu einem Katastrophenereignis erfolgt. Dadurch wird es möglich, die Erfahrungen und Ergebnis- se eines so zeitnahen Einsatzes zu reflektieren.

Ein internationales Team von insgesamt neun Therapeuten sowie einer Fotografin und einer Kamerafrau trafen sich in Chennai (Madras) zusammen mit dem leitenden Therapeuten Raja Selvam, der die Organisation Trauma Vidya zur Unterstützung von Tsunami-Opfern gegründet hat. Raja Selvam ist Psychologe und Bodynamik-Analyti- ker und hat seit vielen Jahren als internationaler Lehrer die Somatic Experiencing-Aus- bildung unterrichtet. Er ist in Tamil Nadu geboren und hat sich dadurch tief verpflichtet gefühlt, seinen Landsleuten nach der Katastrophe Weihnachten 2004 zu helfen.

Indien wurde von dem Tsunami, der dem Sumatra-Andamanen-Beben am 26.12.2004 folgte, schwer getroffen. 10 000 Menschen starben, viele von ihnen waren Kinder. Die Tsunamiwelle kam aus dem Golf von Bengalen und traf vor allem das Gebiet südlich von Pondicherri, einem Gebiet, in dem es nicht viele Touristen gibt. Indien hat ca. eine Milliarde Einwohner, nur 5000 davon arbeiten nach Angaben des indischen Gesund- heitsministeriums innerhalb des Sozial- und Gesundheitswesens – Sozialarbeiter sind hierbei schon mit berücksichtigt.

Aus RAHM & MEGGYESY (Hrsg.): Somatische Erfahrungen … © G. P. Probst Verlag GmbH, Lichtenau/Westf. 2019

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Somatische Erfahrungen in der Traumabehandlung

Alle Teammitglieder arbeiteten ehrenamtlich und bezahlten ihre Reise sowie Unter- kunft und Verpflegung selbst. Die Therapeuten waren erfahren in der Behandlung von Traumata und ausgebildet nach Peter Levines Somatic Experiencing (SE)® Trauma-Be- handlungsmethode.

Arbeitsprogramm

Die tägliche Teambesprechung am Morgen dauerte zwei bis drei Stunden und war ein unverzichtbares Werkzeug, um die vielen Eindrücke, Einflüsse, Verwirrungen, kul- turellen Unterschiede und körperlichen Reaktionen im Team zu bewältigen. Diese Treffen mit Raja Selvam bestanden aus Unterricht, Debriefing sowie praktischem In- formations- und Erfahrungsaustausch. Nach dem Mittagessen begab sich das Team zu- sammen mit den Dolmetschern in unserem eigenen Bus zur Fahrt in die Dörfer ent- lang der Küste.

Neben der direkten Arbeit mit Klienten wurde ein dreitägiges Trainingsprogramm für Mitarbeiter in Hilfsorganisationen und Sozialarbeiterstudenten an der regionalen Hochschule für Sozialarbeit durchgeführt. Raja Selvam unterrichtete die Teilnehmer im Plenum und die Teammitglieder leiteten die Schulung der Teilnehmer in Kleingruppen.

Bei unserer Ankunft in den Dörfern wurden wir meist festlich empfangen – mit gro- ßen Mandalas, die in bunten Farben den Boden schmückten. Die Frauen unserer Grup- pe bekamen Blumen für die Haare. Alle Teammitglieder erhielten die Möglichkeit, die Stirn mit einem Tika in Rot und Weiß zu markieren, dem religiösen Shiva-Symbol, ei- nem Segenszeichen, das das dritte Auge schützt.

Eine örtliche Kontaktperson, Lakshman, sorgte dafür, dass die Dörfer auf unsere An- kunft vorbereitet waren. Meistens hatten die Einwohner im Vorfeld einen Fragebogen ausgefüllt, und mit Hilfe von Lakshman wurden die Trauma-Betroffenen aufgrund die- ser Informationen für die Behandlung ausgewählt. Darüber hinaus fungierte er als Ko- ordinator für unsere Dolmetscher.

Als Ausgleich zu den vielen emotionalen Herausforderungen – durch die ungewohn- te Umgebung, die unvertraute Kultur mit ihren uns fremden Traditionen – und um die Aufgabe besser bewältigen zu können, tagtäglich und kontinuierlich mit Menschen zu

arbeiten, die sowohl zutiefst leiden als auch unendlich viel verloren haben, war es wich- tig, dass das Team genügend »Ressourcen« zur Verfügung gestellt bekam, so dass jeder Einzelne wieder in sein emotionales Gleichgewicht kommen konnte. Zwischen den Ein- sätzen haben wir viele Tempel und einzelne Kirchen besucht, in denen wir an religiösen »Punshas« (Opferzeremonien) teilgenommen haben. Das hat bei einigen von uns wie ein (innerer) Reinigungsprozess gewirkt, der uns neue Energie gab. Darüber hinaus hat es uns Verständnis dafür vermittelt, welche Kraft die Bevölkerung – und damit auch un- sere Klienten – aus den religiösen Traditionen schöpft.

Die Teammitglieder gaben einander auch Sitzungen als »Debriefing« und zur »Rei- nigung« unserer eigenen Nervensysteme, um so eine Überwältigung durch die vielfälti- gen Eindrücke zu vermeiden.

Trauma-Behandlung

Der Klientenkontakt bestand darin, zuerst den Fragebogen zu überprüfen oder auszu- füllen und die Klienten zu bitten, drei Symptome zu nennen, von denen sie sich Linde- rung wünschten. Danach folgte ein psychoedukativer Teil, bei dem wir über den Zweck der Behandlung informierten, traumatische Reaktionen erklärten sowie die Hausaufga- ben zur Fortsetzung des Behandlungsprozesses diskutierten. Anschließend begann die Behandlung. Vorab wurden die Klienten über verschiedene Fakten informiert:

  • ▶  dass wir ihnen kein Geld geben werden;
  • ▶  dass wir keine Medikamente verteilen werden;
  • ▶  dass sie ein bis anderthalb Stunden an Zeit für die Behandlung einplanen müssen;
  • ▶  dass wir sie jetzt nur einmal sehen werden, dass es aber nach vier Wochen und nach

    acht Monaten jeweils ein Follow-up geben wird;

  • ▶  dasssieaufgefordertwerden,fürsichselbstundfürFamilienmitgliedermitTrauma-

    Symptomen dieselben Methoden zu Hause anzuwenden, die wir ihnen zeigen und vermitteln werden.

    Unsere Intention war, den Klienten zu helfen, die Schocksymptome zu reduzieren. Die meisten Klienten litten an körperlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Bauch- schmerzen, Schmerzen in Lende und Brust und sehr oft an starken Schmerzen in den Beinen und Armen – manche wiesen partiale Lähmungserscheinungen auf. Wir haben die Symptome nicht näher medizinisch erforscht, sondern haben sie als Ausgangs- und Ansatzpunkt zur körperorientierten Arbeitsweise betrachtet. Dabei wurde der Schwer- punkt auf den körperlichen Ausdruck der PTBS-Symptome gerichtet.

    Wir haben das von Raja Selvam entwickelte CATS-Modell angewandt und uns nach folgenden körperlichen Zuständen erkundigt:

▶ Contraction: Kontraktion im Körper (Gefühle von Verengung)
▶ Arousal:Erregung(hoheAktivierungimNervensystem,WahrnehmungvonUnruhe) ▶ Terror:Angstzustände
▶ States of Dysregulation: Zustände der Dysregulation (Zustände eines unkontrollier-

ten, aus der Kontrolle geratenen Nervensystems wie z. B. Herzklopfen, Herzrhyth- musstörungen, brennende Empfindungen, usw.).

Wir legten unsere Aufmerksamkeit auf das Vorhandensein der beschriebenen CATS- Symptome. Bei deren Abwesenheit haben wir uns die Frage gestellt, ob dies ein mögli-

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cher Ausdruck der Verleugnung oder eines Zusammenbruchs des Regulationssystems aufgrund der andauernden hohen Erregung sein könnte.

Mit Metaphern arbeiten

Den Klienten wurde ein leicht verständliches und einfaches Modell präsentiert, um zu verstehen, was im Körper passiert, wenn er traumatisiert und im Schockzustand ist, und was wir tun, um die Symptome zu reduzieren. Wir haben die Klienten zum Beispiel gebeten, sich vorzustellen, dass …

… der Körper ein Wassertank sei. Wenn man mehr und mehr Wasser in den Tank füllt und es keinen Abfluss gibt, steigt der Druck im Tank und er ist nahe daran zu explodieren. Was kann man tun, um das Problem zu lösen? Man bohrt Löcher in den Wassertank, und in die Löcher werden Wasserschläuche gesetzt, so dass das Wasser ablaufen und somit der

Wasserdruck fallen kann.

Vergleichbares geschieht mit unserem Körper: Wenn zuviel Schock im Körper ist, steigt der Druck. Die Wasserschläuche können mit unseren Armen und Beinen verglichen werden, durch die etwas von der Energie, die in Symptomen, wie z. B. Schmerzen, gebunden ist, den Körper verlassen kann, damit Symptome sich lindern können.

Manchmal können Wasserschläuche jedoch blockiert oder verstopft sein, so dass das Was- ser Schwierigkeiten hat, aus dem Tank abzufließen. Dann muss man die Wasserschläuche reinigen, damit das Wasser wieder frei fließen kann.

Übertragen auf den Körper gibt es auch Blockaden in unseren Armen und Beinen, die ver- hindern, dass etwas frei fließen kann. Das kann in unseren Gelenken geschehen. Deshalb ist es wichtig, dass die Gelenke gereinigt werden. Durch Berühren der Gelenke können sich derartige Blockaden öffnen. Wenn der Körper sich zu öffnen und die Symptome sich zu lösen beginnen, kann es sich anfühlen wie Wärme oder Kälte, die abfließt, oder sich als Zittern, Schaudern, Stechen oder Vibrieren bemerkbar machen, so als ob die Angst den Körper verlässt.

Dieses einfache Modell hat bei unseren indischen Klienten viel Verständnis bewirkt. Wir haben auch andere Metaphern benutzt, die leicht zu übertragen waren auf das, was mit den Symptomen, unter denen sie leiden, geschieht, oder auf den Heilungsprozess, der gerade begonnen hatte – zum Beispiel Metaphern aus der Natur.

Körperberührungen

Dann berührten wir den Körper der Klienten an verschiedenen Stellen mit unseren Händen. Immer mit dem Ausgangspunkt, dass die Person zunächst die Aufmerksam-

keit auf die körperlichen Symptome richten soll, verbunden mit der Möglichkeit, dass hier schon eine Veränderung oder Besserung der oft schmerzhaften Körperteile eintre- ten kann.

Wenn das nicht geschah, war es wichtig, für Bewegungen aufmerksam zu sein, spon- tane oder initiierte, und zu sehen, ob der Klient mit Hilfe von Aufmerksamkeit tiefer in körperliche Empfindungen eintauchen konnte. Es war auch wichtig zu beobachten, ob der Klient selbst spontan seinen Körper berührte und wo.

Dabei ging es nicht um die Erlebnisse des Einzelnen während der Tsunami-Kata- strophe. Wir kannten nur wenige Fakten über die jeweils persönliche Geschichte. In

Anbetracht dessen, dass wir nur eine Behandlungssitzung zur Verfügung hatten, ver- suchten wir, so weit wie möglich persönliche Berichte zu vermeiden, um zu verhindern, dass der Einzelne sich in seiner Erinnerung an dramatische Erlebnisse verlor und es zu einer emotionalen, mit sympathischer Erregung hoch aufgeladenen Überflutung kam. Wir haben nur nachgefragt, wenn die Klientin oder der Klient apathisch oder abwesend wirkte, es also anzunehmen war, dass er über die Symptome dissoziiert war. In dem Fall wurde die persönliche Erfahrung als Ausgangspunkt eingeladen, das Nervensystem ge- nügend zu aktivieren, um mit dem Körper in Kontakt zu kommen. Nach Abschluss der Sitzung fragten wir, ob sich die Symptome im Vergleich zum Anfang verändert hätten und übertrugen Veränderungen in eine Skala, um sie sichtbar zu machen.

Ergebnisse

Wir behandelten fast 200 Personen, die meisten waren Erwachsene aller Altersgruppen. Manche Menschen konnten nicht behandelt werden, zum Beispiel, wenn sie schon vor der Tsunami-Katastrophe eine Morbidität hatten oder weil sie alkoholisiert waren oder weil sie nicht die notwendige Zeit für die Behandlung vorgesehen hatten.

Die körperlichen Berührungen bewirkten in den meisten Fällen eine Linderung der Symptome. Für viele hat sich das ähnlich angefühlt wie oben beschrieben: dass etwas begann, sich aus dem Körper heraus zu bewegen, entlang der Arme, der Beine oder dem Kopf, entsprechend der Metapher mit den Wasserschläuchen.

In den meisten Fällen traten spontane Veränderungen von Schmerz und Symptom- mustern auf. Einige Klienten wurden sogar schmerzfrei, manche konnten Teile des Kör- pers wieder bewegen – eine Person konnte den Oberkörper wieder bewegen, der etwa seit anderthalb Jahren steif war. Die meisten Klienten erlebten große Verbesserungen, fast niemand hat eine Verschlechterung der Symptome erlebt.

Es ist wichtig zu beachten, dass es mit dieser Art von »Kurzzeittherapie« nur möglich war, das Symptombild relativ schnell zu ändern, weil die Symptome noch nicht chro- nisch waren. Zwei Jahre nach der Tsunami-Katastrophe konnte man deutlich merken, dass die Physiologie signifikant komplizierter zu beeinflussen war, als es bei den früher durchgeführten Behandlungen der Fall war.

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Indien ist eine Herausforderung

Es war auffallend, dass die Symptome der Klienten fast ausschließlich aus körperlichen Schmerzen bestanden. Fast niemand erwähnte psychische Probleme oder Schlaflosig- keit. Das kann damit im Zusammenhang stehen, dass die körperlichen Symptome au- ßerordentlich massiv waren oder auch damit, dass eine kulturelle Komponente einen solchen Einfluss hat, dass beispielsweise psychische Symptome stärker tabuisiert wer- den.

Die Arbeit mit den Dolmetschern war eine besondere Herausforderung. Obwohl ich es durch meine damalige berufliche Tätigkeit mit traumatisierten Flüchtlingen gewohnt war, mit Dolmetschern zu arbeiten, war das mit dieser Situation absolut nicht vergleich- bar: Keiner unserer Dolmetscher hatte eine Ausbildung als Dolmetscher. Die meisten waren 20 bis 25 Jahre alt, und es gab einige unter ihnen, die zwar einige wenige Seme- ster Englisch studiert hatten, es aber nie angewendet haben. Einige sprachen so schlecht Englisch, dass Sie nicht als Dolmetscher arbeiten konnten, aber sie folgten uns und wurden angelernt. Der ungewohnte, oft ausgeprägte Akzent machte es uns zudem meist nicht leicht, das Übersetzte zu verstehen.

Zum größten Teil arbeiteten wir in kleinen Gruppen: Klient, Therapeut, ein bis zwei Dolmetscher. Später kamen ein bis zwei Personen aus dem dreitägigen Trainingswork- shop dazu, um die Anwendung der Methode direkt im Feld zu erlernen. Alle Gruppen haben auf dem Marktplatz gearbeitet. Bei einer Gruppe wurde die Sitzung auf Video aufgezeichnet.

Oft kamen Nachbarn, Kinder oder Bekannte, um zum Beispiel eine Frau zu rufen, die gerade in Behandlung war, nach Hause zu kommen, um das Kind zu trösten oder zu etwas Stellung zu beziehen. Es gab also ständig Unterbrechungen. Das erforderte ande- re Fähigkeiten als die therapeutischen, die wir in der Regel in unserem geschlossenen Therapieraum praktizieren.

Keine Trauerarbeit

Wir haben in unserer Arbeit keine expliziten Ressourcen angewandt, wie es sonst in der SE-Arbeit üblich ist. Die Situation an sich war wie eine ganz besondere Ressource: näm- lich dass die Klienten überlebt hatten, dass sie zur Behandlung kamen und dass sie im Kontakt mit dem Therapeuten waren.

Was uns am meisten belastet hat war, dass wir nicht mit Gefühlen wie Trauer und Ver- lust arbeiten konnten. Dazu hätte es mehr Sitzungen gebraucht, als wir zur Verfügung hatten. Viele Klienten hatten mehrere Familienmitglieder verloren, oftmals Kinder. Die Menschen haben ihr Zuhause verloren und ihre Boote, die ihre tägliche Einkommens- quelle waren. Wir waren in einem Dorf aktiv, in dem 200 Einwohner gestorben waren – 150 von ihnen waren Kinder.

Wenn die Trauer aufkam, konnten wir damit nur so umgehen, dass wir dieses Gefühl in seiner bedeutungsvollen Tiefe anerkannten und unser Bedauern ausdrückten, dass wir da nichts tun können, aber dass wir ihnen helfen können die Trauma-Symptome im Körper zu reduzieren, wodurch sie besser in der Lage sein werden, den schwierigen Ge- fühlen zu begegnen.

Gegenübertragung und die Gefahr der (sekundären) Traumatisierung

Die starken Emotionen im Feld lösten immer wieder starke Betroffenheit, Übertra- gungs- und Gegenübertragungsreaktionen aus, sowohl bei den Therapeuten als auch bei den Dolmetschern. Die Therapeuten haben sich gegenseitig geholfen mit Sitzungen, was eine große Hilfe war und Erleichterung brachte. Auch die Kamerafrau zeigte starke Reaktionen, zumal sie die Einzige war, die keine Traumatherapie-Ausbildung und somit weniger Erfahrung mit Selbstregulationsmöglichkeiten zur Verfügung hatte. Der inten- sive Blick durch die Videokamera auf dieses Traumafeld, ganz nah am Auge, sehr direkt und fokussiert auf das Geschehen – nämlich die leidvollen Folgen von Trauma und den Umgang damit –, und zugleich ohne in der Lage zu sein, selbst in helfende Handlung gehen zu können, das sind die Erfahrungen, die leicht traumatisieren können.

Die Dolmetscher zeigten oft ähnliche Symptome wie die Klienten, zumeist körperli- che Symptome, besonders Druck in der Brust und Angst. Einige von ihnen hatten den Tsunami persönlich erlebt. Wir Therapeuten machten es uns zur Aufgabe, diese Sym- ptome mit unseren Dolmetschern zu bearbeiten, damit sie möglichst keine Symptome mit nach Hause nahmen.

Positive Erfahrungen

Drei Wochen Arbeit in Indien unter den beschriebenen Umständen waren eine ein- zigartige, sehr besondere Erfahrung in meiner therapeutischen Arbeit und haben dazu beigetragen, meine Fähigkeiten sowohl persönlich und als auch therapeutisch zu erwei- tern. Von mehreren Therapeuten meines Teams habe ich Ähnliches gehört. Die vielen Eindrücke und Empfindungen waren oft fast überwältigend und die Bevölkerung hat mit ihrer phantastischen Ausdrucksstärke und einer völlig aggressionsfreien Haltung ei- nen starken Eindruck auf mich gemacht. Es weckt eine Sehnsucht, zurückzukehren und dort erneut mit traumatisierten Menschen in ihrer gewohnten Umgebung zu arbeiten.

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